Unsere Maschine startet in Düsseldorf pünktlich um 7.20 Uhr, und nach einem ruhigen Flug landen wir zwei Stunden später auf der Insel. Der Airport liegt am Südrande der Hauptstadt Kerkyra. Unsere Uhr müssen wir von 9.25 auf die OEZ von 10.25 Uhr vorstellen.
Unser vorbestellter Wagen, ein dunkelblauer Renault Clio, steht auf dem nahen Parkplatz abholbereit, und wir fahren los, um unser Hotel Elly Beach aufzusuchen. Es liegt im nördlichen Viertel der langgestreckten Insel (deren Form mich an den italienischen "Stiefel" erinnert, nur dass die Zehen und der Absatz fehlen) an der Westküste. Seine Lage, unterhalb des Dorfes Liapades, und außerhalb jeglichen Touristenrummels, ist optimal: Unmittelbar vor unserer hölzernen Terrasse, wo wir, im Schatten großer Holzschirme und direkt an der Brüstung, zweimal täglich unsere Mahlzeiten einnehmen, liegt Paradise Beach, eine ruhige Bucht mit Sandstrand, beiderseits gesäumt von bewaldeten Felsenufern. Die steilen Hänge der Berge ringsum sind dicht mit Olivenbäumen, Zypressen u.a. bewachsen, dazwischen ragen steile gelbliche Felswände auf.
Da der Tag noch vor uns liegt, unternehmen wir bei schönem Wetter (das über die ganze Woche anhält) die erste Autotour durch die Berge im Westen. Nur kurz benutzen wir die weniger ansehnliche Hauptstraße ein Stück, wo wir abseits des Randes dem ersten Esel begegnen, der auf einem grasbewachsenen Flecken angebunden ist. Das hölzerne Tragegestell für Lasten hat man ihm nicht abgenommen. Im Wesentlichen geht die Fahrt über gewundene schmale Bergstraßen, deren Enge in den Bergdörfern (Krini – Prinilas – Dafni), in denen trotz der Raumnot immer wieder Fahrzeuge geparkt sind, noch zunimmt. Jederzeit muss man hinter einer unübersichtlichen Kurve mit Gegenverkehr rechnen, und ich bin froh, dass ich nicht am Steuer sitze.
Außerhalb der Dörfer dominieren die schattigen Olivenhaine; die knorrigen und eigenartig löcherigen Stämme der Ölbäume sind unverwechselbar. Das Spiel von Lichtflecken und Schatten auf dem Boden lässt überall die schwarzen feinmaschigen Netze erkennen, in denen bei der Ernte die ölreichen Früchte gesammelt werden. Anderweitig landwirtschaftlich genutzte Flächen sehen wir ebensowenig wie Viehhaltung. Lediglich Schafen und Ziegen begegnen wir hier und da. Auf der Fahrbahn entdeckt der scharfsichtige Thomas schon mal eine vorüberhuschende Eidechse oder Schlange, aber zum Fotografieren kommen wir fast nur bei totgefahrenen Exemplaren, so bei einer großen Smaragdeidechse.
An einigen Stellen der Straße hat man außerordentlich schöne Ausblicke in die Ferne, auch über Buchten und das blaue Meer; immer wieder aber erfreuen uns fremdartige Blumen der mediterranen Flora am Wegesrand.
Unterwegs begegnen wir auf der Straße einer schwarz gekleideten älteren Frau, die einen mit Strohbündeln beladenen Esel führt.
Heute führt unsere Tour uns in den Nordosten Korfus. In Doukades, einem der nächstliegenden Bergdörfer, besuchen wir eine besonders attraktive Platia in der Ortsmitte, also den für manche Bergdörfer typischen kleinen Platz mit einem Kafenion oder einer Taverne, vor denen im Schatten die Männer sitzen und sich unterhalten, während ihre Frauen in der Regel nicht zu sehen sind. Gelegentlich begegnen wir diesen an anderer Stelle, allein oder zu zweit vor dem Haus sitzend. Manche bieten am Straßenrand auf einem Tisch Flaschen mit Olivenöl aus eigener Herstellung an.
Es geht weiter über zahllose enge Serpentinen durch die Berge und allmählich höher hinauf. Im ca. 700 m hochgelegenen Strinilas finden wir eine hübsche Taverne, wo wir unter einer schattigen Pergola sitzen und uns mit einem köstlichen Imbiss stärken: Zum griechischen Salat haben wir uns Knoblauchbrot und hauchdünne gebackene Auberginenscheiben bestellt. – Über weitere schmale und windungsreiche Bergstraßen fahren wir schließlich wieder abwärts in Richtung auf die Nordspitze der Insel zu. Als wir die Autofahrt für einen kurzen Spaziergang in die umliegende Macchia unterbrechen, sehen wir eine bronzefarbene Schlange von beachtlicher Größe – besenstieldick und wohl einen Meter lang – über den Weg huschen. (Heute vermuten wir: es war keine Schlange, sondern ein Scheltopusik, eine Schleichenart mit einer Länge von bis zu 120 cm.) Hinter Perithia gelangen wir an einem der seltenen kleinen Binnenseen vorbei nach Agios Spiridonas. Hier lassen wir das Auto in Strandnähe stehen und brechen zu einer lohnenden Küstenwanderung auf, die uns auf einem schmalen Pfad zwischen äußerst scharfkantigem Gestein hindurch in Sichtweite des Meeres nach Westen führt. Auch hier entdecken wir wieder unbekannte interessante Blütenpflanzen, darunter die prachtvollen Kerzen einer Echium-Art.
Am Cape Agios Ekaterinis, dem nördlichsten Punkt der Insel, steht ein neu errichtetes Leuchtfeuer auf einem Stahlmast, während der alte daneben liegt und vor sich hin rostet. Er wird dort wohl am Jüngsten Tage noch liegen, denn was die Entsorgung von Altlasten angeht, sind die Korfioten nicht pingelig. Überall in der schönen Natur liegen Autowracks an den unmöglichsten Stellen, aber auch Hausmüll und Abfälle aller Art.
Wir drehen hier ab und wandern landeinwärts, um über einen anderen Weg wieder zum Parkplatz zurückzukehren.
Auf der Rückfahrt verpassen wir einen Abzweig (die Hinweisschilder an der Straße sind mitunter nur griechisch beschriftet, meist aber folgt ein zweites Schild mit lateinischer Schreibweise der Ortsnamen), und wir gelangen ungewollt weiter nach Westen in den überlaufenen Küstenort Sidari, dessen am Tourismus orientiertes Ambiente in der Hauptstraße einem Alptraum gleicht. Uns ist rätselhaft, was die Menschen dazu bringt, hier Urlaub zu machen. Wir sputen uns, diese scheußliche Stätte zu verlassen. Über die Hauptstraße fahren wir südwärts heim.
Zunächst statten wir dem oberhalb des Hotels gelegenen Dorf Liapades einen Besuch ab. Bei der Platia (dem Dorfplatz) reckt eine Kirche ihren schön verzierten Glockenturm empor, der wie auch anderenorts nur aus einer durchbrochenen Wand besteht. Eine schattenspendende Platane steht im Zentrum des kleines Platzes inmitten eines ummauerten Rondells. An einer Seite laden stufenförmig angeordnete steinerene Sitzbänke zum Ausruhen ein. Vor einem Kafenion sitzt eine Gruppe älterer Männer gesellig im Schatten. In einer Gasse naht ein mit Stroh oder Heu beladener Esel, der auch die Bäuerin noch tragen muss.
Die benachbarte große Bucht nördlich der unseren gehört zu dem beliebten Badeort Palaiokastritsa, den wir nun anfahren. Verglichen mit Sidari, lässt sich sein Anblick noch ertragen. Wir durchqueren den lebhaften Ort auf der geschäftsreichen Küstenstraße und verlassen die Bucht, um auf dem Berg das Kloster Moni Theotokos aufzusuchen. Der auffallend schöne Klosterkomplex strahlt alles andere als Askese aus, – zur Farbenfreude der sorgfältig verputzten Wände, Pfeiler und Mauern gesellt sich eine herrliche Blumenpracht. Das Besucheraufkommen ist entsprechend, – hin und wieder lässt sich sogar ein schwarz gewandeter junger Mönch blicken.
Auf dem Flughafen in Düsseldorf waren wir vor dem Abflug Andrea, einer alten Bekannten begegnet, und hatten erfahren, dass sie ebenfalls unterwegs nach Korfu war, wo sie ein gepachtetes Anwesen zum Wohnen besitzt.
Da sich ihr Wohnhaus in Vistonas, also gar nicht weit von unserem Standort, befindet, haben wir für heute einen Besuch dort eingeplant. Das Häuschen liegt, von der Straße kaum einzusehen, in einem Garten, der mit Walnuss-, Maulbeer- und Südfruchtbäumen bestanden ist. Andrea bereitet uns als Erfrischung einen griechischen Frappé, der unserem Eiskaffee ähnelt, aber kein Speiseeis enthält. Sie ist schon sehr in die korfiotische Welt integriert, spricht griechisch und hat viele einheimische Freunde dort. Was sie über die natürliche Gastfreundschaft in ihrem Umfeld zu erzählen weiß, müsste manchen kontaktarmen Großstädter eher beschämen, der nicht einmal seine Nachbarn aus dem Nebenhaus kennt.
Anschließend fahren wir über Pagi hinunter zur Bucht Agios Georgios und wieder hinauf nach Afionas. Hier stoßen wir auf ein wahres Highlight unter den Aussichtspunkten: Wir sitzen in der Taverne "Dionysos" auf der Terrasse direkt am Steilhang und schauen auf die Bucht und den Strand hinunter, worüber gerade eigenartige Nebelschwaden wabern, die sich nach und nach verflüchtigen, bis alles im strahlenden Sonnenlicht liegt. – Nach einem Imbiss wandern wir unterhalb der Taverne einen schmalen Küstenpfad entlang, der abwärts führt. Er erinnert mich mit seinem reizvollen Blick auf Bucht und Meer stark an die zahllosen Wege dieser Art in Großbritannien und Irland, die ich mit Erika und allein gewandert bin. Wir gehen den Pfad nicht bis zur Wasserlinie hinab, sondern kehren nach einiger Zeit um und erreichen so wieder unseren Wagen.
Heute nehmen wir uns die Hauptstadt Kerkyra (auch Corfu Town genannt) vor, die auf der anderen Inselseite an der Ostküste liegt. Nachdem wir einen staubigen Parkplatz in der Nähe der Neuen Festung gefunden haben, bummeln wir durch die geschäftigen Straßen der Altstadt, wo wir uns auf der Suche nach dem Tourist Office von befragten Passanten in verschiedene Richtungen schicken lassen, ohne das gesuchte Ziel zu finden. Auf dem belebten Markt halten wir uns längere Zeit auf, denn es gibt viel zu sehen. Auf dem reich sortierten Fischmarkt ist gerade ein schwarz gekleideter, bärtiger Pope dabei, seine Einkäufe zu tätigen. An einem Gemüsestand nehmen wir uns einen Bund riesiger Radieschen mit als Proviant für unterwegs, wenn wir wandern.
Unsere Absicht, außer der Stadtbesichtigung einen Abstecher nach Kanoni, einem vielbesuchten Aussichtspunkt am Südrand Kerkyras zu machen, stößt auf erhebliche Schwierigkeiten, die mit der korfiotischen Neigung zu irreführenden Wegbeschilderungen zusammenhängen. So kann es schon mal geschehen, dass an der einzigen Durchgangsstraße eines Ortes plötzlich das rote Schild mit weißem Querstrich steht, die Passage also nur in Gegenrichtung befahrbar ist. Niemand beachtet das Durchfahrverbot, das möglicherweise längst nicht mehr aktuell ist und nur nicht entfernt wurde. Hier in der Hauptstadt kurven wir wiederholt durch die Hauptstraßen im Hafenviertel, um eine Möglichkeit zu entdecken, in südlicher Richtung durchzufahren, was uns letztendlich nur auf einem labyrinth-artigen Umweg gelingt. Rätselhaft, warum ein so bedeutendes Touristenziel nicht eindeutig ausgeschildert ist.
Kanoni entschädigt uns nach der ebenso zeitraubenden wie nervenden Odyssee durch einen traumhaften Blick auf die blaue Lagune mit den beiden Inselchen. Eines ist üppig begrünt, das nähere wird fast völlig durch das schmucke kleine Kloster Vlacherna eingenommen. Nach einer Erfrischung in der Aussichts-Taverne steigen wir die Stufen hinab und erkunden das winzige, offenbar künstlich angelegte Eiland, das man über einen schmalen Damm zu Fuß erreichen kann.
Nachdem wir uns auch am ziemlich leblosen Alten Hafen ein wenig umgesehen haben, von dem aus man die albanische Küste drüben besonders nah sehen kann, fahren wir wieder nach Norden und benutzen dazu die durchgehende Küstenstraße. Reizvolle Ausblicke auf die Buchten zur rechten Hand erzeugen Lust auf ein kühles Bad am Strand. Mehrere Versuche, über enge, steile und gewundene Zufahrtsträßchen hinunter zur Küste zu gelangen, um einen geeigneten Badeplatz zu finden, erweisen sich als Flop. Immerhin schafft es Thomas am Ende der Sackgassen trotz der bedrängenden Enge, den Wagen zu wenden und zurückzufahren, was des starken Gefälles wegen nur im ersten Gang und mit Schwung möglich ist.
Endlich finden wir unten ein Stück Strand, wo wir im klaren Wasser der hier ziemlich flachen Bucht ein erfrischendes Bad nehmen können.
Wir fahren nach Süden auf der Hauptstraße über Pelekas und biegen ab in die Berge. In Agios Nicolaos finden wir ein Kirchlein aus dem 13. Jahrhundert, dessen Aussehen sich aber kaum von den üblichen unterscheidet. Auf dem Friedhof macht mich Thomas auf eine gelegentlich anzutreffende Sitte aufmerksam, den Verstorbenen gefüllte Getränkeflaschen in ein verglastes Behältnis zu stellen, das sich bei dem Kreuz auf der steinernen Grabplatte befindet.
Als wir auf der Weiterfahrt einem Hinweis zu einem Kloster folgen und einen steilen Betonweg zur Küste hinunterfahren, stellt sich heraus, dass das Ziel nur über einen längeren Fußweg an der Felsenküste zu erreichen ist. Wir begnügen uns mit einem Blick zur linken Hand auf ein steiles Cliff am Meer und kehren um.
Nach einem Abstecher über das reizvoll an der Bucht gelegene Agios Gordis geht es wieder in die Berge. Einmal sehen wir unter Bäumen auf einem unwegsamen, grasbewachsenen Gelände einige Ziegen angebunden, die dort weiden. Eine davon hat sich zwischen einem Ölbaum und einem schmalen Stämmchen derart verheddert, dass sie sich selbst nicht mehr befreien kann. Wir verhelfen ihr gemeinsam wieder zur Mobilität, während sie geduldig still hält.
Wieder an der Küste, gelangen wir nach Paramonas, wo wir in einer hübschen Taverne unter der schattigen Pergola direkt am stillen Strand eine Zwischenmahlzeit einnehmen. Ich genieße eine reichliche Portion sardinengroßer Ährenfische aus der Pfanne, Thomas einen pikanten Eintopf mit diversen Meeresfrüchten. Dazu wird das übliche Weißbrot gereicht.
Wir wollen über die hier schmale Insel auf die Ostseite wechseln. Unser Plan, auf der Höhe von Chlomos nach Kouspades zu fahren (was nach der Karte möglich sein müsste), um dort eine Wanderung zu beginnen, lässt sich nicht durchführen, weil dort gar keine befahrbare Straße existiert. Wir können lediglich den alten Korfioten, den wir von der Hauptstraße mitgenommen haben, hier absetzen, wo er zuhause ist. Dann müssen wir umkehren.
Nach einem weiten Schlenker über Perivoli kommen wir doch noch an die Lefkimmi Bay und fahren an der flachen Bucht entlang. In Notos legen wir eine Bade-Rast am Strand ein. Dann erreichen wir Petriti, wo wir endlich, wie erhofft, einen Fischereihafen aus der Nähe erleben. Meine Erinnerungen an die geliebten pittoresken Fischerhäfen in Dänemark kann ich vergessen. Hier ist alles anders, – eben mediterran. Die unterschiedlich großen Fischerboote sind mit unbekannten metallenen Geräten, Lampen und Rollvorrichtungen bestückt. Thomas spricht einen dunkelhäutigen Seemann aus der Mannschaft eines großen Schiffes auf Englisch an und erfährt, dass er Ägypter ist und während der Saison bei der korfiotischen Fischerei arbeitet.
Über östliche Küstenstraßen treten wir den Heimweg an; ab Benitses geht es über die Hauptstraßen des Landes.
Ziel ist Nordosten der Insel: Über Agios Marcos geht es zur Ostseite, wo die Küstenstraße nach Norden mit ihren schönen Ausblicken in ziemlicher Höhe verläuft. Zu den Buchten muss man wieder auf schmalen Zufahrten hinabfahren. Kalami liegt besonders ansehnlich und bietet einen guten Blick auf das nahe albanische Festland. Im benachbarten Yachthafen von Kouloura beobachten wir an einer flachen Stelle im klaren Wasser eine Sepia, die Thomas entdeckt hat, und die sich infolge ihrer angepassten Färbung fast nicht vom kiesigen Grund abhebt, dann aber flink davonwuselt.
Weil wir keinen geeigneten ruhigen Badeplatz finden, setzen wir die Fahrt auf der Küstenstraße fort und suchen noch einmal den Strand bei Agios Spiridonas an der Nordspitze auf, wo wir am Sonntag die Küstenwanderung starteten. Hier nehmen wir ein Bad im Meer, aber der heute außergewöhnliche Starkwind wirbelt bei der anschließenden Liegepause unablässig den feinen Sand auf, der in alle Ritzen dringt.
Als Rückweg benutzen wir weiterhin die nördliche Küstenstraße in westlicher Richtung und passieren noch einmal das schauderhafte Touristenkaff Sidari. In Peroulades lassen wir den Wagen stehen und unternehmen eine kleine Wanderung zum Cape Drastis. Der Weg führt durch einen uralten Olivenhain und die nach Kräutern duftende Macchia. An der Steilküste angekommen, haben wir einen faszinierenden Blick auf das Kap, dessen weiße Kalkfelsen bei durchkommender Sonne aufleuchten.
Heute scheint der heißeste Tag der Woche zu sein; es ist mindestens 35° im Schatten.
Der folgende Ausflug beruht eigentlich auf einem Missverständnis. Ich hatte im Foyer unseres Hotels flüchtig einen bebilderten Anschlag wahrgenommen, der auf eine touristische Sehenswürdigkeit hinwies: das Achilleion. Die Säulen und Skulpturen ließen mich vermuten, es handele sich um einen ausgegrabenen Tempel der Antike, wie etwa die minoischen Ruinen von Knossos auf Kreta. – Ich schlage einen Besuch vor, und Thomas ist einverstanden.
Unser Ziel liegt in südöstlicher Richtung. Über Pelekas – Kastellari fahren wir in die Berge, wo wir am Mittwoch schon einmal ein Hinweisschild zum Achilleion gesehen haben. Erst an Ort und Stelle erfahren wir, dass es sich keineswegs um ein antikes Objekt handelt, sondern um ein im neoklassizistischen Stil errichtetes Lustschloss, das die österreichische Kaiserin Elisabeth ("Sissi") um 1890 erbauen ließ. – Der Besuch lohnt sich trotzdem. Im gepflegten Park steht ein gigantischer Achill aus Bronze als Krieger sowie ein verwunderter liegend aus Marmor. Nach der Besichtigung des Inneren genießen wir angesichts der Hitze eine lange Ruhepause lesend auf einer halbrunden kühlen Marmorbank mit Lehne im Schatten, abseits des zunehmenden Besuchertrubels. Unser Blick fällt über eine schachbrettartig gemusterte Marmorfläche auf zwei bronzene olympische Läufer sowie die Säulenfront des Palastflügels mit zahlreichen weiblichen Figuren, darunter Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers (wenn ich es richtig gedeutet habe).
Nach dieser Ruhepause fühlen wir uns trotz des heißen Wetters fit genug für eine letzte Bergwanderung. Wir steuern über Ano Garouna und ein schmales Sträßchen den Berg Stavros an (südlich von Benitses). Im letzten Dorf oben, Koumianata, endet die Straße. Wir parken den Wagen am Rande einer künstlich geschaffenen freien Fläche, die kein Parkverbot schützt. Später erst erkennen wir, dass es der Wendeplatz des Linienbusses ist, der tatsächlich in dieses abgelegene Bergdörfchen fährt. – Die wenigen Häuser des Ortes sind verschachtelt der Bodenbeschaffenheit des Berghangs angepasst. Wir haben fast das Gefühl, in eine fremde Privatsphäre eingedrungen zu sein, als unser Wanderweg an einer engen, tiefer gelegenen Stelle vorbeiführt, wo zwei Frauen an einem Tischchen im Schatten eines Baumes sitzen. Wie gewohnt, begrüßen wir sie mit einem "Jassas!" (Hallo!), und sie antworten freundlich. Beim Verlassen des Dorfes passieren wir einen angeleinten Esel, der in dieser abgelegenen Örtlichkeit gewiss seine Aufgabe als Transportmittel hat; sein Tragegestell liegt auf einem Mäuerchen.
Unser Pfad ist schmal und führt teils ab-, teils aufwärts durch offenes Macchia-Gelände an einem Hang entlang. Schatten gibt es nicht, und es ist klar, dass wir uns die ganze geplante Runde der Tour nicht zumuten dürfen. Doch die herrliche Aussicht, zunächst ins Tal, später aufs blaue Meer, lohnt die Anstrengung trotz der Hitze. Als wir einen Punkt erreicht haben, an dem wir die hübsche Kapelle Moni Pantokrator im Blick haben, an der unser Rundweg eigentlich vorbeiführen sollte, beschließen wir umzukehren. Der andernfalls noch zu bewältigende Anstieg wäre bei den herrschenden Temperaturen zu riskant. Wir gehen den gleichen Weg zurück zum Ausgangspunkt. In einer Taverne des nächsten Dorfes ruhen wir uns bei einem kalten Frappé aus. Dann fahren wir heimwärts.
Doch vor der Rückkehr ins Hotel machen wir noch einen Abstecher über Palaiokastritsa und Krini in das Bergdorf Makrades, wo wir in einem speziellen Laden Badeschwämme als Mitbringsel erstehen wollen. Leider hat er schon geschlossen, denn es ist nach 20 Uhr.
Unser Rückflug findet zu menschenwürdiger Zeit statt, so dass wir nicht allzu früh aufstehen müssen. Nach dem Frühstück auf der Terrasse unseres Hotels fahren wir los und durchqueren die Insel in Richtung Kerkyra. Am Flughafen geben wir das Auto zurück und starten mit einer LTU um 11.45 Uhr. Der Flug wurde eine Viertelstunde vorverlegt und führt unplanmäßig über München, wo eine Zwischenlandung eingelegt wird. Vom über dem Mittelmeer ständig blauen Himmel ist hier nichts mehr zu sehen, und graue Regenwolken kündigen einen Klimawechsel in unserer Heimat an. Als wir in Düsseldorf landen, sind es hier 14°, also rund 20° weniger als auf unserer Urlaubsinsel.