USA 2000

Reisebericht

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– aufgeschrieben von Rolf (76) –

 

Samstag, 10. Juni

Um 7.45 Uhr hebt unsere Maschine der British Airways ab und fliegt uns nach London. Aus dem Fenster sehe ich bald das farbenfrohe Patchwork der südenglischen Landschaft mit ihren sattgrünen Wiesen, gelben Feldern und dem Rot der Dächer in den zahlreichen Siedlungsgebieten. Es wird das letzte Mal sein, dass mir unser Flug solche Farben beschert, denn hinter dem Atlantik herrscht überraschenderweise eher eintönige Farblosigkeit, jedenfalls von oben betrachtet.

In London steigen wir in einen größeren Jet um, der bald darauf startet. Nicht lange danach sind – ich habe wieder einen Fensterplatz – nur noch die Wolken unter uns zu sehen, zwischendurch auch das blaue Meer. Als eine erdfarbene Küste erscheint und Schnee auf den Bergen, bin ich irritert. Wir vermissen eine ansonsten übliche Information des Kapitäns über die Flugroute und müssen selbst kombinieren, wo wir uns befinden. Es kann sich nur um Island handeln (dies wird später bestätigt), und als nach längerem Überfliegen des Meeres erneut eine Gletscherküste unter uns auftaucht, wissen wir, dass wir Grönland überfliegen. Es folgt die Hudson-Bay, die von riesigen Eisschollen bedeckt ist, und wechseln vom Luftraum über Kanada zu dem der Vereinigten Staaten. Den Anblick der Landschaft unter mir hatte ich nicht erwartet: graubraune Farbtöne herrschen vor, kaum ist Vegetation auszumachen, auch keine Anzeichen menschlicher Siedlungen. Die Oberfläche, meist hügelig bis bergig, wirkt öde und unbewohnt. Ganz selten nur tauchen vereinzelt Bauwerke auf, desgleichen Straßen oder landwirtschaftliche Felder. Erst als wir uns der Westküste nähern, wird die Bebauung dichter: Die Mega-City Los Angeles (13 Millionen Einwohner) ähnelt aus der Luft freilich eher einer riesigen Kleingartenkolonie mit ihren niedrigen, meist alleinstehenden Häusern; die Straßen schnurgerade und sich rechtwinklig kreuzend, wie auf dem Reißbrett konstruiert. Nennenswerte Hochhäuser sind nur in einem begrenzten Viertel auszumachen, dafür durchschneiden einige breite Highways das gleichförmige Stadtbild, die sich im Zentrum zu einem überdimensionalen "Spaghettiknoten" verschlingen.

Nach der Landung überprüfen wir die Uhrzeit: Bei mir ist es 21 Uhr (was natürlich auch meinem Körpergefühl entspricht), Ortszeit hingegen: mittags 12 Uhr. Infolge der Zeitverschiebung müssen wir unsere Uhren um 9 Stunden zurückstellen; der Ankunftstag hat sich so für uns deutlich verlängert.

Nachdem wir unser Gepäck wieder in Besitz genommen haben, erwartet uns für gut 2½ Stunden ein ermüdendes Schlangestehen, bevor wir das Flughafengebäude verlassen können: Die Zollbehörde überprüft jeden Ankömmling, ob ihm ein befristeter Aufenthalt in den USA gestattet werden kann, – erst dann erhält er die begehrte Green Card.

Auf der Straße besteigen wir einen Shuttle-Bus der Auto-Verleihfirma DOLLAR, der uns zur Zentrale in der Arbor Vitae Street bringt, wo wir nach Erledigung der Formalitäten unseren Wagen in Empfang nehmen: einen goldbeige-metallicfarbenen Dodge Intrepid mit Automatic-Schaltung und der hier unerlässlichen Klimaanlage. Obwohl unser Wagen keine Bedienungsanleitung an Bord hat, findet sich Thomas schnell zurecht, und wir reihen uns in den dicht fließenden Verkehr der Riesenstadt ein. Die breiten Straßen sind vielspurig; als Besonderheit fällt uns auf, dass die Ampeln in der Regel hinter den Kreuzungen stehen, was dazu führt, dass irritierenderweise beim Abbiegen plötzlich Rot vor uns erscheint. Der Boulevard, auf der wir uns befinden, lässt eine Namensbezeichnung vermissen, hingegen sind die Querstraßen durch große Schilder mitten auf der Kreuzung markiert. – Kurios wirkt der häufige Hinweis auf der Fahrbahn: "PED XING!", was nicht chinesisch ist, sondern "Pedestrian crossing" bedeutet (Fußgänger kreuzen).

Die niedrigen Häuserzeilen mit meist ebenen oder flach geneigten Walmdächern wirken eher unansehnlich; irgendein Baustil ist nicht zu erkennen. Ein Wald riesiger Reklametafeln verstellt den Blick, oft sind auch die hellen Wandflächen der Gebäude flächendeckend mit Schriften versehen, darunter solche in ausschließlich chinesischer oder koreanischer Sprache. Auffallend sind die hässlichen Freileitungen, die samt den notwendigen Masten den Straßenrand begleiten, vielfach sind 6-8 Drähte übereinander gespannt.

Anhand des Stadtplanes lotse ich Thomas in nördlicher Richtung zum Wilshire Boulevard, wo sich unser Hotel Radisson befindet. Die überwiegend verglaste Fassade täuscht darüber hinweg, dass es inwendig eher altmodisch wirkt. Ein bisschen falscher Pomp gehört auch zum Stil des Hauses, so ein barocker vergoldeter Transportwagen für unser Gepäck. Das Personal entstammt überwiegend fremden Nationalitäten, wie überhaupt L.A. ein Schmelztiegel aller erdenkbaren Rassen zu sein scheint. Im Hause findet gerade eine pompöse asiatische Hochzeit statt; das Paar entsteigt einer überlangen Limousine, wie man sie sonst nur aus Filmen kennt. Unser Wagen wird von einem Hotelangestellten übernommen und in die zum Hause gehörige Tiefgarage gefahren.

Nachdem wir unser Gepäck in unserem Zimmer verstaut haben, unternehmen wir zu Fuß einen Bummel in die Umgebung unseres Quartiers. Das Viertel hebt sich teilweise positiv von der Bausubstanz der bisher durchfahrenen Gegenden ab; schlanke Palmen und Blumenkübel lockern das Stadtbild auf.

Da wir etwas essen müssen, schlägt Thomas ein kleines koreanisches Lokal vor. Zunächst fällt uns nicht auf, dass die anderen Gäste ausschließlich junge Koreaner sind. Wir bestellen aus der Karte jeweils ein Gericht unbekannten Namens; bei mir gibt die Erwähnung von beef & pork den Ausschlag. Die Bedienung stellt uns, wie in amerikanischen Restaurants üblich, unaufgefordert ein großes Glas Wasser hin, in dem Eiswürfel schwimmen. Dann folgt das Menü, bestehend aus einer kalten (!), offenbar mit rotem Pfeffer scharf gewürzten Chinakohl-Suppe (mehr weiße Strunk-Scheiben als Blätter), Reis auf einem Stövchen und mehreren unbekannten, rein vegetarischen Beilagen, u.a. Tofu. Das versprochene Fleisch ist kaum zu entdecken. Auf einem Teller werden zwei Eier in der Schale serviert, und da ich annehme, dass sie gekocht sind, schlage ich meins am Schüsselrand auf: Es ist roh und sollte, wie wir erfahren, unter die Speise gerührt werden. – Wir verzehren von dem scharfen exotischen Gericht nur soviel, bis unser Hunger gestillt ist; aber zu einem "kulinarischer Höhenflug" (wie er in einem Prospekt über Kalifornien verheißen wird) artet unsere Mahlzeit nicht aus.

 

Sonntag, 11. Juni

Da es in den Hotels und Motels der USA normalerweise nicht üblich ist, dem Übernachtungsgast ein Frühstück zu bieten, begeben wir uns in der Nähe unseres Quartiers zu einem McDonalds, wo wir einen Becher Kaffee und ein Sandwich zu uns nehmen. Der amerikanische Kaffee ist deutlich weniger stark als der unsrige, dafür ist er stets kochend heiß, selbst wenn er aus der Glaskanne auf einer Warmhalteplatte kommt. Uns ist rätselhaft, wie das möglich ist, denn schließlich wird auch unser Kaffee mit 100° heißem Wasser aufgebrüht. Jedenfalls kann man sich hier leicht die Zunge verbrennen.

Wir haben beschlossen, den Ruhetag in L.A. zu einem Besuch der Universal-Filmstudios in Hollywood zu nutzen und fahren dorthin. Was wir erleben, entspricht in keiner Weise unseren cineastischen Vorstellungen. Das gesamte Angebot ist auf Kommerz und Unterhaltung ausgerichtet, es ähnelt eher einer Vergnügungspark à la Disney-Land mit seinen Attraktionen als einer ernsthaften Information über die Filmindustrie.

Wir beginnen mit einer Rundfahrt per Bähnchen durch das weitläufige Studiogelände, in dem sich diverse Hallen und zahlreiche Kulissen befinden, echte und unechte. Zu den echten gehört das Motel des Norman Bates aus "Psycho", zu den unechten ein kleiner Hafen, in dem eine ahnungslose Anglerfigur samt Boot vom "weißen Hai" unter Wasser gezogen wird. Ein roter Strudel an der Wasseroberfläche kündet von dem blutigen Gemetzel darunter. Die Bestie taucht auch unmittelbar neben unserem Bähnchen auf und schnappt zähnefletschend nach uns. – In einer Halle, in der wir halten, ist eine U-Bahn-Station nachgebaut, die nach einem dumpfen Grollen plötzlich von einem Erdbeben erschüttert wird: Die Decke stürzt teilweise ein, eine Säule knickt um, ein heranfahrende Lok entgleist und kippt zur Seite. Natürlich wackelt auch der Wagen, in dem wir sitzen, realistisch. – An anderer Stelle erleben wir eine inszenierte Überschwemmung samt künstlichem Regen. In einer Art Geisterbahn versucht uns ein (unechter) "King-Kong" zu erschrecken.

Nach dieser "Studio-Tour" suchen wir einige der angebotenen Attraktionen auf, so "Back to the Future", wo in einem Simulator die Wahnsinnsfahrt des Super-Autos (das draußen im Original zu besichtigen ist) aus dem Film "Zurück in die Zukunft" realistisch erlebt wird. – In "Backdraft" werden vor allem "Special effects" mit Flammen, Hitzewellen und Rauch in einer verschachtelten Fabrikkulisse gezeigt. – Im "Jurassic Park" nehme ich an einer Schlauchbootfahrt teil, die durch eine prähistorische Urwald-Szenerie führt, in der sich verschiedene Dinosaurier tummeln, und die mit der rasanten Schussfahrt über einen künstlichen Wasserfall in einem Becken endet. – "Animal Actors" bietet einige nette Tierdressuren, – "Wild, wild, wild West" nur eine Reihe mäßiger Slapstick-Späße in bekannter Kulisse. – In "Waterworld" werden Szenen aus dem gleichnamigen Film nachgespielt; die aufwendigen Kulissen wie auch die seltsamen rostigen Wasserfahrzeuge scheinen wirklich den Original-Dreharbeiten zu entstammen.

Als wir genug haben, verlassen wir den Filmpark und fahren über den berühmten Sunset Boulevard nach Westen. Hier ist die andersgeartete soziale Schicht der Anwohnerschaft an vielen Details spürbar. Die leuchtend rot-violetten Blüten der in den Hecken weitverbreiteten Bougainvillea erfreuen unser Auge. Da wir auch die Pazifikküste kennenlernen wollen, setzen wir in den vornehmen Beverly Hills die Fahrt über den Santa Monica Boulevard fort, der uns, ständig abfallend, zur Küste führt, die hier flächendeckend zugebaut ist. Wir suchen lange vergeblich nach einem akzeptablen Parkplatz; denn die allerorts verlangten 7 $ (14 Mark!) selbst für kurzfristiges Parken gedenken wir nicht zu zahlen. Schließlich wird unsere Geduld belohnt, und wir können den Wagen sogar kostenlos (der Parkscheinautomat ist defekt) an einem Strandgelände abstellen, wo wir ein wenig laufen können. Der Pazifik liegt ruhig da, der breite Sandstrand wirkt vergleichsweise langweilig. Der Eindruck der Küste ist alles andere als überwältigend.

Am Abend versorgen wir uns in einem riesigen Supermarkt (Albertsons) mit Proviant für die bevorstehende Fahrt. Wie überall sind die Räumlichkeiten voll klimatisiert und sehr kühl; der Temperatur-Unterschied zur Hitze draußen ist beträchtlich. Das wird sich besonders in den nächsten Tagen zeigen, und mir wird der ständige ungewohnte Wechsel bald auf die Stimmbänder schlagen.

Wegen der trockenen Hitze verliert der Körper viel Flüssigkeit; entsprechend viel müssen wir trinken. In unserem Auto gibt es zwischen den Vordersitzen praktische Halterungen für Getränkedosen, in die exakt unsere Thermosflaschen passen, die wir mit gekühltem Mineralwasser füllen. Leider gehört zu den Besonderheiten der USA, dass kohlensäurehaltiges Mineralwasser sehr selten zu bekommen ist, und schon gar nicht vorgekühlt wie die anderen Getränke (Limonaden, Cola, Quellwasser ohne). – Wie wichtig das Trinken ist, erfährt man immer wieder: Wer in die Tiefe des Grand Canyon hinabsteigen will, soll für die Tageswanderung acht Liter Wasser mitnehmen! – Unterwegs im Gelände begegnen wir gelegentlich Wanderern, die an ihren Gürteltaschen zusätzlich rechts und links Trinkflaschen-Halterungen haben, eine praktische Ausstattung, die wir woanders noch nie gesehen haben..

Um unsere verderblichen Lebensmittel wie Wurst und Käse (aber auch das empfindliche Filmmaterial) vor Schaden zu schützen, kaufen wir eine stabile Kühlbox, in der wir täglich die Eiswürfel erneuern. Diese bekommt man gelegentlich (im Hotel oder Motel) gratis aus der Eismaschine, oder man holt sie sich aus dem Automaten oder im Supermarkt. Dort ist freilich das Gebinde meist zu groß, sodass die Eismenge nur zum Teil genutzt werden kann.

 

Montag, 12. Juni

Bevor wir die Fahrt nach Osten antreten können. Ist noch ein Besuch bei unserem Car Rental DOLLAR notwendig, weil wir beschlossen haben, ein amerikanisches Handy zu mieten, damit wir notfalls jederzeit in den menschenleeren Regionen unseres Reisegebietes Kontakt aufnehmen können; auch für die Verbindung mit der Heimat soll es uns dienen. Später erweist sich allerdings, dass das Gerät außerhalb Kaliforniens nicht für ein Ferngespräch nach Deutschland funktioniert. Wir müssen dann mittels Telefonkarte die öffentlichen Apparate benutzen. Sie sind normalerweise ungeschützt im Freien, meist bei Tankstellen, als Wandtelefon angebracht, was oft wegen der Geräuschkulisse von der Straße her die Verständigung erschwert.

Wir verlassen Los Angeles auf dem Interstate Freeway 10 East (in den USA ist auf den Nummerntafeln der Fernstraßen neben dem Namen des Bundesstaates immer auch die Haupt-Himmelsrichtung angegeben). Auf der vielspurigen Ausfallstraße in östlicher Richtung herrscht starker Verkehr, neben Personenwagen und Pickups (kleine bis mittelgroße Lieferwagen mit offener Ladefläche) sind auch viele Trucks zu sehen, wie man sie aus amerikanischen Filmen kennt: riesig in ihren Abmessungen, mit pompöser Ausstattung in blitzendem Chrom oder poliertem Edelstahl; die langen Auspuffrohre am Fahrerhaus weisen stets nach oben. Die Trucks sehen aus, als kämen sie in Deutschland wegen ihrer hohen Aufbauten niemals unter den Autobahnbrücken hindurch. Unter den zahlreichen Wohnmobilen gibt es eine Variante, die wir aus Europa nicht kennen: Der Wohnwagenteil ist als Auflieger wie bei einem Sattelschlepper auf der Ladefläche eines Pickup gelagert.

Die äußere linke Spur ist fast ständig frei, über ihr verkündet ein Schild: "CAR POOL – Only two persons or more!" Wir folgern, dass diese Spur jenen Fahrzeugen vorbehalten ist, die mehr als eine Person befördern und wechseln entschlossen hinüber, nachdem wir festgestellt haben, dass in allen anderen Fahrzeugen wirklich nur der Fahrer sitzt. In der Tat kommen wir auf diese Weise auch etwas schneller voran und können die erlaubte Höchstgeschwindigkeit (hier: 65 Meilen = 104 km/h) ausnützen, während die anderen schon mal ins Stocken geraten.

Thomas hat inzwischen entdeckt, dass unser Wagen einen Tempomat besitzt, d.h., man kann jede beliebige Höchstgeschwindigkeit elektronisch festlegen, den Fuß vom Gaspedal nehmen; und die Automatik sorgt exakt für die Einhaltung des Tempos.

Von der flachen Landschaft sehen wir nicht viel, sie ist in dieser Region auch eher reizlos. Erst als nach ein paar Stunden Fahrt die Verkehrsdichte deutlich abnimmt, lohnt sich der Blick auf die Umgebung. Bevor wir nach Norden auf den State Highway 62 abbiegen, fällt uns rechter Hand ein in dieser Dichte nie gesehener Wald von Windstromaggregaten auf, der ein ganzes Tal füllt. Diese ökologisch sinnvolle Anlage steht in krassem Widerspruch zu unserer Erkenntnis, dass die USA wohl unbestritten die Nr.1 in puncto Umweltsünden darstellt, wenn man an die gigantische Verschwendung bei der Abfallproduktion denkt: Vom Kaffee- und Colabecher über Besteck und Teller ist in den Fastfood-Läden und Coffeeshops alles als Einweg-Artikel konzipiert. Die täglichen Berge an Plastikabfall dürften sich unserer Vorstellungskraft entziehen.

Wir fahren am nordwestlichen Rande des Joshua Tree National Monuments entlang, ein Naturpark, den wir als ersten erkunden wollen. Im Örtchen Joshua Tree nehmen wir einen Imbiss in einem Coffeeshop zu uns, der von einer Indianerfamilie geführt wird. Es sind die ersten Nachfahren der Ureinwohner, die wir sehen, aber es werden noch viele folgen. Hier wenden wir uns nach Südosten und erreichen bald den offiziellen Zugang zu dem riesigen Nationalpark, dessen nördlicher Teil noch zur Mohave-Wüste gehört. Als der weibliche Ranger uns darauf hinweist, dass wir statt der Gebühr von 20 $ auch den "Golden Eagle Pass" erwerben können, der nur 50 $ (pro Fahrzeug) kostet und zum Besuch sämtlicher amerikanischen Nationalparks berechtigt, tun wir dies. Spätestens beim dritten Park hat er sich dann bezahlt gemacht.

"Joshua Tree" (der Name stammt von den Mormonen) bedeutet Yuccapalme, ein Baum, der wenig Ähnlichkeit mit einer Palme hat und nur in der Mohave-Wüste und im mexikanischen Hochland über 900 m vorkommt. Hier ist er in großer Zahl anzutreffen, daneben der stachelige Kreosotbusch und andere Wüstenvegetation. Wir durchqueren in gemächlichem Tempo das einsame, ausgedehnte Bergland und steigen immer wieder aus, um Details zu erkunden, darunter die oft bizarren, rundlichen Sandsteinformationen. Einmal beobachten wir einen streunenden Koyoten, den Thomas zu Fuß verfolgt, um ihn zu fotografieren. Ein anderes Mal sehen wir einen kleinen Präriehund, der auf einer Felskuppe hockt und sich auf die Hinterbeine erhebt. Eine Begegnung mit Klapperschlangen, die hier leben, und die wir erhoffen, bleibt uns versagt – oder erspart. Statt dessen sehen wir des öfteren fremdartige Eidechsen davonhuschen. In acht nehmen müssen wir uns vor dem Kontakt mit dem Kaktus Opuntia Bigelovii, dessen mit Widerhaken versehene Stacheln sich in die Haut einbohren und kaum zu entfernen sind. Im südlichen Teil des Parks unternehmen wir eine kleine Wanderung, die uns durch den Palm Canyon führt, wo es die eigenartigen California Fan Palmen sowie Relikte aus einer uralten Indianersiedlung zu sehen gibt.

Wir sind nach Verlassen des Parks wieder auf den Highway 10 gestoßen und erreichen gegen Abend den kleinen Ort Blythe, wo wir im Motel Super 8 ein Zimmer bekommen (51,50 $). Der Raum ist klimatisiert (draußen sind es jetzt um 21 Uhr immer noch 30°!) und enthält zwei Doppelbetten (sogen. Queen Beds), Bad und TV; letzteres ist für uns ohne Belang. Zum Abendessen suchen wir einem mexikanischen Imbiss auf und machen uns dort mit einer speziellen Pizza bekannt; die im Geschmack und Konsistenz an die trockenen und scharfgewürzten Tacos erinnert. Wir werden noch Gelegenheit haben festzustellen, dass eine regelmäßige Ernährung in den diversen Fast-Food-Ketten, gleich welchen Namens, uns in keiner Weise zusagt. Lieber würden wir uns selber versorgen; denn das Essen in guten Restaurants ist für uns nicht erschwinglich.

 

Dienstag, 13. Juni

Unüblicherweise sind in unserem Zimmerpreis Kaffee und Donuts inbegriffen, und wir frühstücken im Office.

Bei der Weiterfahrt am Morgen passieren wir zunächst die Grenze zu Arizona. Das weite Land ist trocken, oft wüstenartig, Hohe Kandelaberkakteen (Saguaros) setzen markante Akzente. Hier stoßen wir auch auf die aus Filmen bekannten Rolldisteln, die als ausgebleichte und trockene Knäuel vom Wind über die Ebene geweht werden. Bergketten sind zunächst nur in der Ferne sichtbar, dann wird es auch für uns gebirgig. In über 2500 m Höhe und darüber ist von der in Europa üblichen Baumgrenze nichts zu bemerken.

In Raum Sedona, den wir über die US 60 und die State 89-89A erreichen, beeindrucken uns zahlreiche rote Felsformationen. Der abseits des Highways liegende Ort selbst, eine Künstlerkolonie, wirkt ungewöhnlich geschlossen und scheint einheitlich aus rotem Stein erbaut worden zu sein. Hier verbrachte der deutsche Maler Max Ernst Jahre der Emigration.

In Flagstaff kommen wir im Motel Auto Lodge unter, das mit "Low Rates", also mit Niedrigpreisen, wirbt (43,75 $). Als erstes bemerkt Thomas, dass unsere Zimmertür sich, weil der Rahmen sich verzogen hat, nicht verschließen lässt, weshalb er den Jüngling aus der Rezeption beauftragt, dies zu ändern. Wie zu erwarten, gerät dessen Reparaturversuch zur Farce; – wir müssen uns damit abfinden, dass weiterhin jedermann Zutritt hat. Als zweiten Mangel stellen wir fest, dass die Klimaanlage ihren Namen nicht verdient; denn sie schafft es nicht entfernt, die Hitze aus dem Raum zu vertreiben. So verbringen wir die Nacht, mehr oder weniger unbekleidet, auf der Bettdecke schlafend.

 

Mittwoch, 14. Juni

Unser Motelzimmer enthält neben der Standardeinrichtung eine Kaffeemaschine samt mit Kaffeepulver gefüllten Filtertüten. Das gleiche finden wir auch in allen künftigen Etablissements. Es ist uns gelungen, dunkles, geschnittenes Körnerbrot, das lediglich etwas weich ist, in einem Supermarkt aufzutreiben; es ist recht schmackhaft. Als Belag können wir zwischen Dauerwurst, Cheddar und Frischkäse wählen, womit wir uns inzwischen versorgt haben.

Wir sind uns einig, dass wir in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit Abstriche an unserer grob skizzierten Reiseplanung vornehmen müssen und verzichten auf das Ansteuern diverser Sehenswürdigkeiten im Umkreis von Flagstaff, die uns empfohlen worden waren. So führt uns der weitere Weg auf der US 180 durch die San Francisco Mountains und den Kaibab National Forest nach Norden. Der dichte Baumbestand aus Kiefern, Fichten und Espen, der an heimatliche oder skandinavische Wälder erinnert, ist nach den wüsten und vegetationsarmen Regionen etwas völlig Neues. Hin und wieder sehen wir durch lokale Waldbrände abgebrannte Partien. Am Straßenrand weisen immer wieder warnende Schilder darauf hin, dass die Feuersgefahr wegen der anhaltenden Hitze derzeit extrem ist.

Gegen Mittag erreichen wir den Grand Canyon National Park. Am Visitor Center, das eine Menge Informationen zu bieten hat, können wir den Wagen abstellen. Dann besteigen wir einen Shuttle Bus, der uns kostenlos zum West Rim Interchange bringt, wo wir in einen zweiten Bus umsteigen. Wir fahren entlang des Südrandes des Canyons nach Westen und unterbrechen die Fahrt am Powell Point, um einen ersten Eindruck von der größten Schlucht der Welt zu gewinnen. Der Anblick ist atemberaubend. Unter uns fällt die Steilwand ca. 1600 m senkrecht ab. Die gegenüberliegende Seite ist einige Kilometer entfernt und liegt 300 m höher.

Der nächste Pendelbus nimmt uns ein Stück weiter mit bis zum Mohave Point. Hier beginnt unser Fußmarsch zurück, stets an der Abbruchkante entlang mit grandiosen Ausblicken auf den Canyon, in dem nur hin und wieder der Coloradofluss in der Tiefe zu sehen ist. Am Hopi Point endet unsere eindrucksvolle Wanderung. Während wir auf den Bus warten, beobachten wir einen Adler, der über der Tiefe des Canyons kreist. Thomas befasst sich mit einem der gar nicht scheuen Squirrel; das sind große graue Eichhörnchen, die immer wieder auftauchen, wo Menschen sich aufhalten. Das possierliche Pelztierchen, das er lediglich gelockt hatte und keineswegs zu füttern gedachte, dankt ihm sein Interesse nicht und beißt ihn unvermittelt in den Finger. Später erfahren wir, dass der Kontakt mit den Nagern riskant ist, weil sie gefährliche Krankheiten übertragen können, darunter die Beulenpest.

Nach der Rückkehr zum Visitor Center essen wir in der nahen Cafeteria eine Kleinigkeit und brechen auf zur Weiterfahrt. Bevor wir das Gebiet des Nationalparks über den Desert View Drive in östlicher Richtung endgültig verlassen, haben wir noch mehrfach Gelegenheit, weitere Aussichtspunkte anzusteuern. Besonders eindrucksvoll ist der Lipan Point, wo wir die roten Felswände im Licht der untergehenden Sonne erstrahlen sehen. Da dieses Erlebnis nicht mehr zu steigern ist, verzichten wir auf das Anfahren des letztmöglichen Aussichtspunktes.

Es ist inzwischen spät und schon dunkel geworden, und so kommen wir nicht mehr weit. Wir sind froh, in Cameron ein Quartier zu finden. Das Motel liegt bereits im Navajo-Indianerreservat (schon auf den letzten Meilen sahen wir am Straßenrand große Schilder mit gastlichen Welcome-Sprüchen für die Ankommenden); sein Name Indian Trading Post lässt auf eine alte Poststation schließen. Baustil und Einrichtung zeigen unverkennbar den Einfluss indianischer Kultur.

 

Donnerstag, 15. Juni

Auf der Weiterfahrt über die US 160 passieren wir die Painted Desert und stoßen auf einem blassrötlichen, völlig ebenen Felsplateau auf einen interessanten Hinweis: Abseits der Straße steht inmitten der hitzeflimmernden Steinwüste einsam eine Art Hüttendach, unter dem indianische Führer darauf warten, Touristen die Attraktion der Region zu zeigen: Versteinerte Fußspuren von Dinosauriern! Wir folgen einem der Navajos, der uns immer wieder auf dreizehige Eindrücke hinweist, die wir ohne ihn wohl nie gefunden hätten. Auch ein versteinertes Saurier-Ei ist dabei, das zur Hälfte im Steinboden steckt. Thomas ist später enttäuscht, als er erfährt, dass ich den Navajo nur deshalb nicht zusammen mit ihm fotografiert habe, weil er ein stilloses weißes T-Shirt mit modischem Aufdruck trug. – Natürlich bekommt unser Führer eine angemessene Entlohnung.

Wir gelangen als nächstes nach Kayenta. In einem riesigen Supermarkt, in dem wir uns mit Proviant eindecken, fällt uns auf, dass wir die einzigen Weißen unter lauter Indianern sind. Den Einheimischen des Reservats ist trotz des unterschiedlichen Alters, des sozialen Standes und des vermuteten Bildungsgrades ihre ethnische Herkunft unschwer anzusehen. Soviel "echte" Indianer, wenn auch überwiegend in unauffälliger Zivilkleidung haben wir noch in keinem Indianerfilm zu sehen bekommen. Lediglich die eine oder andere alte Frau, mit zerfurchtem Gesicht, grauem Zopf und an eine Tracht erinnernde Kleidung könnte so, wie sie aussieht, auch in einem Tipi wohnen.

Dann fahren wir über die US 163 weiter ins Monument Valley zum gleichnamigen Navajo Tribal Park. Es handelt sich hier nicht um einen Nationalpark im eigentlichen Sinne, sondern um das Stammesgebiet der Navajo, die das berühmte Tal in eigener Regie verwalten.

Schon von weitem ist die aus zahlreichen Western bekannte Szenerie nicht zu übersehen: eine vielgestaltige Gruppe mächtiger roter Felstürme scheint sich aus der Ebene zu erheben. In Wirklichkeit ist es, geologisch gesehen, umgekehrt: Die riesigen Monolithen, Buttes genannt, (spanisch: Mesa = Tisch) sind die stehengebliebenen Überreste eines einst höher gelegenen Terrains, von dem der Rest, weil aus weicherem Gestein, in Millionen Jahren durch Erosion zu Staub verwitterte und fortgeweht wurde. Nachzuvollziehen ist dieser Prozess für einen Laien kaum.

Am Visitor Center gibt es einen bevorzugten Aussichtspunkt mit Blick auf die drei bekanntesten Monolithen: West Mitten Butte, East Mitten Butte und Merrick Butte. Hier kann man auch an einer von Navajos angebotenen Jeep-Rundfahrt teilnehmen, was vor allem für die Insassen großer Wohnmobile oder ungeeigneter PKWs in Frage kommt. Wir entschließen uns, unserem Dodge die Fahrt über die nicht immer glatte Naturpiste zuzumuten und bereuen das keinen Augenblick. Etwa zwei Stunden benötigen wir für die Runde, die immer wieder neue Perspektiven auf die bizarren roten Sandsteingebilde bietet.

Unser geschicktes Timing ermöglicht uns, anschließend den schon legendären Sonnenuntergang vom Platz am Visitor Center aus mitzuerleben, während sich die drei Felstürme vor uns allmählich feuerrot verfärben. Darüber geht der Vollmond auf. Eine beinahe weihevolle Stimmung herrscht unter den zahlreichen Beobachtern, unter denen sich auch überraschend viele Navajos befinden.

Bis Mexican Hat, das bereits in Utah liegt, sind es noch etwa 20 Meilen, die wir bei sinkender Dämmerung zurücklegen. Im Motel Canyon Lands (50 $) nimmt man uns auf. Der Ort verdankt seinen Namen einer seltsamen Felsformation in der Nähe, die tatsächlich einem hockenden Mexikaner im Poncho mit breitrandigem Sombrero ähnelt.

Nach dem Ausladen des Gepäcks können wire noch eine Weile auf der Terrasse des Motels vor unserem Zimmer sitzen, obwohl es trotz der späten Stunde wieder ungewöhnlich warm ist.

 

Freitag, 16. Juni

Wir haben das ausgedehnte Indianer-Reservat der Navajo verlassen (in dem es übrigens, wie wir feststellen, keinen Alkohol zu kaufen gibt, so dass wir auf das abendliche, bei der Hitze erfrischende, gut gekühlte "Budweiser" verzichten müssen) und durchfahren eine weite, an Vegetation arme Ebene. Vor uns erhebt sich in der Ferne eine hohe Barriere in Form eines schroffen Gebirgsabbruchs. Obwohl unser State Highway 261 direkt darauf zuführt, erkennen wir keinen Taleinschnitt oder die Andeutung eines Passes. Dann erleben wir, dass sich unsere Straße in engsten Serpentinen am Steilhang hochwindet, und wir verstehen, warum diese meisterhaft angelegte Piste von größeren Fahrzeugen wie Trucks nicht benutzt werden kann und darf.

Oben auf dem welligen Plateau sieht man sich plötzlich in einer anderen Welt: im Gegensatz zu der öden Ebene unten umgibt uns hier eine bewaldete Berglandschaft von völlig anderem Charakter. Sie begleitet uns bis zum Natural Bridges National Monument, welches unser nächstes Ziel ist. Von den spektakulären und fotogenen Felsbögen sind die bekanntesten im weiter östlichen Arches National Park zu bewundern, aber dorthin kommen wir nicht mehr, wenn wir unsere Rundreise wie vorgesehen schaffen wollen.

Im Visitor Center informieren wir uns über die Entstehung der "Naturbrücken" (Aushöhlung am "Prallhang" durch mäandernde Flussläufe), dann befahren wir die vorgegebene Runde durch den Park mit unserem Wagen. Wir unternehmen auch die geplante Wanderung zur Sipapu Bridge, indem wir in den heißen Canyon absteigen, bis wir das derzeit trockene Flussbett erreichen. Im Schatten eines Felsüberhangs machen wir Rast unter dem hohen Steinbogen, dann geht es wieder hinauf zur Straße. Diese schöne Wanderung erfüllt unsere Wünsche voll und ganz.

Den zweitgrößten Felsbogen der USA (der größte der Welt mit 88 m Höhe ist die Rainbow Bridge, am Lake Powell gelegen), die flach über ein Trockental gewölbte Owachomo Bridge, betrachten wir nur von einem oberhalb gelegenen Aussichtspunkt; dann beenden wir unsere Rundfahrt und lassen den Naturpark hinter uns.

Auf dem einsamen State Highway 95 wenden wir uns nach Nordwesten, um den Colorado zu überqueren; denn der östlichste Punkt unserer Rundtour ist erreicht. Die Straße windet sich durch nahezu vegetationslose Felslandschaft. In der Annahme, in Hite (die Markierung auf der Karte lässt eine Ortschaft vermuten) eine Unterkunft zu finden, folgen wir einem Abzweig mit dem Hinweis Hite Marina. Wir treffen jedoch keine Siedlung an, sondern lediglich eine Tankstelle mit angeschlossenem Store. Die "Marina" ist kein Jachthafen, sondern ein öder Parkplatz, auf dem zahlreiche Bootsanhänger stehen. Der nahgelegene Lake Powell mit seinen felsigen Steilufern gilt als Eldorado für Wassersportler. Nach einer Erfrischung im Store (während der wir uns fragen, wie die junge Frau an der Kasse in dieser Einöde, weitab von menschlichen Siedlungen, ihre Freizeit verbringt) setzen wir unsere Fahrt fort und passieren die Brücke über den tief in den Felsen eingeschnittenen Colorado. Linker Hand erstreckt sich der 300 km lange Lake Powell, der durch das Aufstauen des Flusses entstanden ist und durch zahlreiche Nebenschluchten erweitert wird.

Der nächste Ort, Hanksville, gut 80 km weiter, hat kein Quartier zu bieten; man verweist uns auf das 50 km entfernte Cainville. Die Landschaft um die State 24 wechselt unterwegs von der Steinwüste zur Idylle: Wir fahren durch das Fremont Valley, das geradezu lieblich anmutet mit seiner schmalen grünen Flussaue, auf der braune und schwarze Rinder weiden; während im Hintergrund gelbe Felswände steil emporragen.

Cainville ist wiederum kein Ort, sondern besteht ausschließlich aus einem ansehnlichen Motel. Doch täuscht unsere Hoffnung, hier unterzukommen, denn man verlangt seltsamerweise "Cash", also Barzahlung. Soviel Bargeld besitzen wir nicht und wollen den Grund für diese ungewöhnliche Bedingung wissen. "We are living in the middle of anywhere!" heißt es (Wir leben in der Mitte von Irgendwo), und wir verstehen das so, dass man in dieser Abgeschiedenheit kein denkbares Risiko mit Kreditkarten eingehen will.

Thomas macht mich auf eine Entdeckung aufmerksam, die ich zunächst nicht glauben mag: Unter der Holzdecke der überdachten Motelterrasse hängt ein Futtergefäß, vor dem ein leibhaftiger Kolibri schwirrt. Bald sehen wir noch weitere. Nie hätte ich für möglich gehalten, einmal diese winzigen Vögel in freier Wildbahn zu erleben.

Der nächste Ort liegt 50 km weiter; doch dazu müssen wir den Capitol Reef National Park durchqueren, den wir eigentlich bei Tage besichtigen wollten. Jetzt aber senkt sich schon die Dämmerung hernieder. Wir halten nur einmal an einem beschilderten Parkplatz, der auf Felszeichnungen der Basketmaker-Indianer hinweist, welche diese hinterlassen haben. Thomas kann einige Tierdarstellungen fotografieren. Es gelingt ihm auch, ein weibliches Mule Deer, eine hier lebende Hirschart, abzulichten, das auf einer Wiese an der Straße äst.

In Torrey endlich fnden wir am Ende dieses langen Tages im Rock Rim Inn ein Zimmer (59 $), und wir leisten uns ausnahmsweise ein bescheidenes Abendessen im dazugehörigen Restaurant. Zu live vorgetragenen Country-Songs verzehrt Thomas ein schmackhaftes Cowboy-Chili und ich eine Smoked Utah Trout (geräucherte Utah-Forelle).

 

Samstag, 17. Juni

Südwärts durchfahren wir auf der State 12 die Boulder Mountains und den Dixie National Forest. Unterwegs begegnen wir zweimal berittenen Cowboys, die jeweils eine Viehherde über die Straße treiben. Die Wälder werden schließlich wieder von einer kahlen Felslandschaft abgelöst, durch die sich der tiefeingeschnittene Escalante Canyon windet.

Auf einem Parkplatz im Tal am nun offen sichtbaren Flüsschen stellen wir den Wagen ab und brechen zu einer Exkursion in die hier ziemlich breite Schlucht des Escalante auf. Der Pfad verläuft auf und ab neben der steilen Felswand. Unterwegs fallen uns die Spuren auf, welche einst fleißige Biber hinterlassen haben: bis zu 40 cm dicke Bäume wurden fachgerecht gefällt. Hier wächst auch der Biberschwanz-Kaktus, dessen Form den Namen leicht erklärt. Eine dünne Natter verschwindet blitzschnell im Dorngestrüpp, bevor wir sie fotografieren können; aber auch verschiedene Eidechsen sehen wir. – Auf dem Rückweg waten wir barfuß eine Strecke durch das flache, sandige Flüsschen, in dessen klarem Wasser wir große, forellen-ähnliche Fische beobachten, bis uns der kiesige Grund zwingt, wieder an Land zu gehen.

Als nächstes Ziel steuern wir den Bryce Canyon National Park an. Bald schon sehen wir als erste Vertreterin der einheimischen Fauna eine wilde Truthenne, die über eine Wiese im Wald verschwindet. – Am "Sunset Point" parken wir; und hier haben wir, wie schon mehrfach, erneut Gelegenheit, die flinken, aber nicht scheuen, graubraunen, weiß gestreiften Erdhörnchen in großer Zahl zu beobachten, die auf dem Boden umherhuschen. Thomas, dessen scharfem Blick kaum etwas entgeht, macht mich auf einen taubengroßen Vogel mit blauglänzendem Gefieder aufmerksam, eine hier lebende Eichelhäherart mit einem auffallenden Federschopf wie ein Kiebitz. Zuvor hatte er schon einen anderen farbenprächtigen Vogel, den Western Bluebird, entdeckt.

Wir begeben uns an den Rand des Canyons, von dem aus man das berühmte pittoreske "Amphitheater" bewundern kann. Im Rund vor bzw. unter uns sehen wir Tausende von bizarr geformten, aufrecht stehenden Felsnadeln in unwirklichen Farbkombinationen wie pink, weiß und orange, gigantischen Stalagmiten einer Tropfsteinhöhle ähnlich, alles gleichsam im Zuckerbäcker-Stil modelliert. "Hoodoos" wurden die eigenartigen Gebilde von den Einheimischen genannt in Anlehnung an die Voodoo-Magie, weil man in ihnen überirdische Kräfte vermutete.

Über den US-Highway 89 geht es weiter bis Orderville, wo uns das Starlite Motel ein einfaches, aber ausreichendes Quartier bietet (38 $).

 

Sonntag, 18. Juni

Im Zion National Park, den wir am nächsten Vormittag über die State 9 erreichen, fallen uns gleich zu Beginn bei der Checkerboard Mesa seltsame gleichmäßige, schachbrettartige Linienmuster in den glatten, hellen Sandsteinwänden auf, die wie eingeritzt wirken, und deren Entstehung uns rätselhaft ist. Es soll sich um Verwitterungsfolgen handeln. Leider versäumen wir, dieses ungewöhnliche Phaenomen fotografisch zu dokumentieren, weil wir irrigerweise davon ausgehen, dass wir noch mehr davon zu sehen bekämen.

Vor dem von einem Ranger kontrollierten Zugang hält ein ausfahrender Amerikaner mit seinem Wagen neben uns an, begrüßt uns freundlich mit "Welcome!" und reicht uns ein nicht voll ausgenutzes Tagesticket (Wert 20 Dollar) herüber. Er hat uns als Deutsche gleich erkannt (wie mancher andere auch. Woran nur ?) und will uns die Eintrittsgebühr ersparen. dass wir einen Pass besitzen, der diese Ausgabe überflüssig macht, kann er nicht wissen; es ändert aber nichts an seiner netten Geste, die hier stellvertretend erwähnt werden soll für das allgemein freundliche Verhalten der Amerikaner uns Fremden gegenüber, dem wir überall begegnen.

In diesem Naturpark gedenken wir eine zünftige Bergwanderung zu machen und haben uns dazu den Hidden Canyon Trail ausgesucht. Noch im Visitor Center, als wir nach dem Frühstück im Freien unsere Rucksäcke packen, verdunkelt sich der Himmel, und das erste Donnergrollen kündet ein Gewitter an. – Im Shuttle Bus, der wieder kostenlos für die Besucher den gesamten Zion Canyon Scenic Drive abfährt und an bestimmten Punkten hält, erfahren wir aber über Funk, dass wegen des einsetzenden Regens im Gebirge vom Benutzen der schmalen und jetzt schlüpfrigen Bergpfade abgeraten wird.

Wir wollen uns keinem vermeidbaren Risiko aussetzen und ändern unseren Plan. So fahren wir mit dem Bus bis zur nördlichen Endstation "Temple of Sinawava" und beginnen dort eine Fußwanderung durch den Canyon auf dem Riverside Walk, auch Gateway to the Narrows genannt. Von den senkrechten Felswänden fließt gelegentlich das Wasser, und hier, in den "Hanging Gardens", gedeihen spezielle Pflanzen, so der Frauenhaarfarn und die Goldakelei. Der Weg ist ziemlich begangen, zumal der Regen aufgehört hat. Wo es möglich ist, verlassen wir den bevölkerten Wanderweg und benutzen schmale Pfade im Uferbereich des Virgin River. Einmal steht zu unserer Überraschung ein Mule Deer im flachen Flusswasser vor uns, die großen Lauscher auf uns gerichtet, und lässt sich fotografieren. Wir vermuten, dass die Enge seines Reviers im schmalen Canyon im Verein mit dem starken Aufkommen an Wanderern dazu beigetragen hat, seine artgemäße Scheu vor Menschen zu verlieren.

Der Wanderweg endet bei den sogenannten Narrows, einer Engstelle, die man nur durch Waten im wadentiefen Fluss überwinden kann. Einige Wanderer tun dies und behalten dabei ihre Schuhe an; denn barfuß lässt sich auf dem steinigen Flussgrund schlecht gehen. Für diesen Zweck liegen sogar speziell dafür vorgesehene Stöcke bereit, auf die sich der Watende stützen kann. Ein Schild erinnert daran, den Stab nach der Rückkehr wieder hier zu deponieren. – Bei plötzlich einsetzenden Flutwellen ist das Begehen der Narrows gefährlich, weil es keine Ausweichmöglichkeit in der engen Schlucht gibt. Es gab deshalb schon mehrere Todesopfer.

Wir legen eine Rast auf einem Felsblock an einer Stromschnelle ein und machen uns dann auf den Rückweg.

Über den Interstate Highway 15 fahren wir weiter in südwestlicher Richtung; dabei durchschneiden wir einen Zipfel Arizonas, wo linker Hand der 2670 m hohen Mt. Bangs aufragt, dann sind wir in Nevada. Die Umgebung zeigt zunächst noch landwirtschaftliche Nutzung, wird dann aber immer karger, bis wir nach Süden auf die 169 abbiegen, von der wir wiederum auf eine einsame Straße abzweigen, die nur noch durch Wüste führt. Sie folgt abseits der Muddy Mountains im wesentlichen der Uferlinie des Lake Mead, von dem aber nichts zu sehen ist. Erst zum Schluss können wir einen Blick auf den riesigen See werfen, den der berühmte Hoover Dam aufgestaut hat.

In Henderson, einem größeren und verkehrsreichen Ort, dem man die Nähe zu dem geschäftigen Las Vegas anmerkt, halten wir vergeblich nach einem Motel Ausschau, dann fahren wir zurück nach Boulder City. Hier kommen wir im Star View Motel unter (50 $).

 

Montag, 19. Juni

Thomas möchte vor unserer Weiterfahrt den Hoover Dam gesehen haben, und wir machen einen Abstecher dorthin. Das beachtliche, 1936 fertiggestellte Bauwerk war mir schon als Schüler ein Begriff (es war seinerzeit der größte Staudamm der Welt) und hieß bis 1949 Boulder Dam. Es ist 223 m hoch. Ein starker motorisierter Touristenstrom nimmt uns mit, und da keine Haltemöglichkeit geboten wird, sehen wir uns gezwungen, wider Willen kostbare Zeit zu opfern, um die abgelegenen Parkplätze zu erreichen. Thomas möchte dies vermeiden und wendet den Wagen ebenso verwegen wie verbotswidrig in einer Lücke der Fahrzeugschlange, um zurückzufahren. An einer Mauer gegenüber dem Staudamm können wir sogar für ein Foto anhalten.

Kurze Zeit später sind wir in Las Vegas, von dem wir gestern abend in Henderson schon das ferne Lichtermeer gesehen haben. Jetzt, im strahlenden Tageslicht, sieht es, zumindest im Zentrum, ganz passabel und gepflegt aus. Wir finden einen großen Parkplatz bei dem architektonisch interessanten Hotel Luxor, einem pyramidenförmigen Glasbau, von dem Thomas schon einiges wusste, und den wir besichtigen. Dann bummeln wir zwei Stunden durch die betriebsame Stadt der Spieler. Hier scheint alles künstlich zu sein, Plagiat reiht sich an Plagiat: Das kitschig-bunte Schlosshotel "Excalibur" könnte aus einem Disney-Zeichentrickfilm stammen, ein Hotel hat die Form einer Coca-Cola-Flasche, andere sind verkleinerte Kopien des Eiffelturms, der Freiheitsstatue, der Sphinx. Auch eine Art Tadsch Mahal gibt es und eine Nachbildung des venezianischen Markusplatzes samt Dogenpalast. Ein aufwendig gestalteter Komplex scheint einer Filmkulisse aus "Captain Hook" nachgebaut zu sein. Ein Reklameschild weist auf das berühmte deutsche Magier-Duo Siegfried & Roy hin. In allen Hotels gibt es riesige Spielhallen, in denen Tausende von Touristen ihr Glück bei Poker, Black Jack, Baccarat, Roulette oder auch nur beim "Einarmigen Banditen" versuchen.

Wir begnügen uns der Mittagshitze wegen in einer "Pizza Hut" (das englische hut heißt "Hütte" und hat entgegen der deutschen Verballhornung nichts mit "Hut" = hat zu tun) mit einem Salat und einem Becher Pepsi light, dann kehren wir zum Auto zurück.

Weiter geht die Fahrt auf dem US-Highway 95 durch die Wüste Nevadas, entlang dem Atom-Versuchsgelände der US-Army. Im Shop einer Tankstelle gibt es als attraktives Souvenir Telefonkarten zu kaufen mit der Abbildung jenes angeblichen humanoiden Außerirdischen, der seinerzeit samt abgestürztem Ufo im dortigen Testgelände "Dreamland" beim Groom Lake untersucht worden sein soll.

In Amargosa Valley biegen wir nach Süden auf die State 373 ab, überschreiten die Grenze zu Kalifornien und wenden uns in Death Valley Junction erneut nach Westen. Die verfallende Häusergruppe hier wirkt in ihrer Verlassenheit nahezu geisterhaft, wie geschaffen als unheimliche Filmkulisse. Kurioserweise ist eines der unansehnlichen Gebäude als "Amargosa Opera" bezeichnet. Tatsächlich sollen hier gelegentlich Aufführungen einer exzentrischen Solistin stattfinden.

Bald darauf erreichen wir auf der State 190 das Death Valley National Monument, das "Tal des Todes", dem heißesten Ort des Kontinents. Goldsucher gaben ihm diesen Namen, von denen mancher hier verdurstete. Wir erleben wieder "Wüste pur", aber es ist keineswegs flach. – Am eindrucksvollen Zabriskie Point erinnern wir uns an den gleichnamigen Film Antonionis, der hier gedreht wurde. Die faltenreichen, völlig vegetationslosen Hügel, die aus erhärtetem Sand zu bestehen scheinen, bieten dem Auge in ihren harmonisch abgestimmten Braunschattierungen von dunkel bis hell einen geradezu ästhetisches Erlebnis. – In Furnace Creek überrascht uns eine grüne Oase mit Wasser und Palmen, sogar ein teures Motel gibt es hier. Ein altes rostiges Lokomobil namens "Old Dinah" kündet von der Zeit, als im Todestal Borax gewonnen wurde. – Die trockene, in der Hitze flimmernde Senke, die wir jetzt passieren, liegt unter dem Niveau des Meeresspiegels; an einer Stelle reicht sie bis -86 m und bildet somit den tiefsten Punkt der westlichen Hemisphäre. Der ehemalige See ist völlig ausgetrocknet und hat lediglich eine Salzkruste hinterlassen, die nun matt im Abendlicht schimmert.

Bei der Weiterfahrt zum Townes Pass (1652 m) empfiehlt ein Schild "No AC !", also die Air Condition (Klimaanlage) im Auto abzuschalten, um eine Überhitzung des Motors zu vermeiden. Wir halten uns daran, müssen dafür natürlich steigende Temperaturen im Wageninnern ertragen. Von Zeit zu Zeit stehen am Straßenrand Tanks mit Kühlwasser bereit. Wohnwagenverleiher untersagen den Mietern das Befahren dieser Region grundsätzlich.

Noch vor Verlassen des Nationalparks stoßen wir in Panamint Springs auf ein einsames Motel, dessen schlichtes Äußere wie auch seine einfache Ausstattung gut in die karge Umgebung passen. Lediglich die Wärme im Innern lässt sich nicht reduzieren; aber wir haben keine andere Wahl. Auch den stolzen Preis von 68 $ für das einfache Quartier müssen wir in Kauf nehmen.

 

Dienstag, 20. Juni

Durch kahle Berglandschaft und ein trockenes Tal von eigenartigem Reiz erreichen wir das Owens Valley. Der ausgedehnte Owens Lake liegt wasserlos da, seitdem Los Angeles seinen gewaltigen Wasserbedarf mittels eines Aquaeduktes auf Kosten der Region gestillt hat.

In der Ferne erscheint nun auch die schneebedeckte Gipfelkette der Sierra Nevada, die beim Mt. Whitney bis 4420 m ansteigt. Über den US Highway 395 erreichen wir Bishop. Hier kann Thomas seine Idee verwirklichen, in der öffentlichen Leihbücherei einen PC zu benutzen, um seinen eigenen zu Hause nach Post abzufragen und einige E-Mails an unsere Familie zu versenden, soweit sie online ist. Das kostet ihn keinen Cent; denn die Benutzung des Computers ist gratis.

Der Highway 395 führt jetzt nach Nordwesten. Bei den abseits gelegenen Mammoth Lakes (die wir selbst gar nicht zu sehen bekommen) stoßen wir auf eine ungewohnte Szenerie: Die Anlagen des auch im Sommer lebhaften Wintersportgebietes erinnern stark an gleichartige Orte in den Schweizer Alpen; sogar Holzhäuser im original Schweizer Stil gibt es zu sehen.

Über den Deadmans Pass (2700 m) erreichen wir Lee Vining. Die Nachfrage in mehreren Motels ist vergeblich, was angesichts der Ortslage am Ostzugang des beliebtesten Nationalparks der USA nicht verwunderlich ist; aber dann kommen wir doch noch im Motel Gateway unter. Der Preis von über 75 $ überrascht uns nicht. Dafür haben wir direkt gegenüber unserem Zimmer eine einzelne hölzerne Terrasse mit schönem Blick auf den Mono Lake. Hier am Tisch können wir unser einfaches Abendessen einnehmen, das wir diesmal selbst auf dem Esbit-Kocher zubereitet haben, und auch am anderen Morgen frühstücken.

 

Mittwoch, 21. Juni

Wir haben heute die Barriere der Sierra Nevada zu überwinden und gelangen über den 3031 m hohen Tioga Pass (es ist der höchstgelegene der USA) in den Yosemite National Park. Wir sind froh, dass wir es geschafft haben, diesen überaus sehenswerten Park noch zu erleben, der völlig anders beschaffen ist als alles übrige bisher. So stellte ich mir Kanada vor, wo ich immer gerne hin wollte: schneebedeckte Berge, tiefe Wälder, klare Seen und hohe Wasserfälle.

Wie gewohnt, suchen wir zunächst das hier besonders ausgedehnte Visitor Center auf. Neben den üblichen allgemeinen und speziellen Informationen erfahren wir, dass der Wanderer in dieser Region damit rechnen muss, vereinzelt Schwarzbären und Berglöwen zu begegnen. Ratschläge für das Verhalten in solchen Fällen sind angefügt. Auch in anderen Nationalparks gab es schon entsprechende Hinweise.

Wir fahren mit dem Shuttle Bus zu einem Haltepunkt am Ostrand des bebauten Komplexes, zu dem auch Zeltplätze gehören. Hier beginnt ein vielbegangener Foot Trail, der, ständig ansteigend, dem Lauf des Merced Rivers folgt, welcher bald unseren Blicken entschwindet. Als wir an einer Holzbrücke über einem tosenden Wildwasser ankommen, von der aus wir den 100 m hohen Vernal Fall über uns sehen können, kehren wir nach einer Ruhepause um und machen uns auf den Rückweg ins Tal. Ein erfrischendes Fußbad im Merced folgt, und nach einer lohnenden Wegverlängerung am schattigen Flussufer entlang erreichen wir den nächsten Bus-Haltepunkt.

Die Rückfahrt mit unserem Wagen führt wieder durch das Yosemite Valley, wo wir nicht nur den mit insgesamt 739 m Höhe dritthöchsten Wasserfall der Welt (Upper & Lower Yosemite Fall) noch einmal zu sehen bekommen, sondern auch am Fuße des 1000 m hohen El Capitan, dem beliebtesten Kletterfelsen der USA, verweilen, um hoch oben in der Wand zwei Bergsteiger zu beobachten, die schon mehrere Tage und Nächte in der glatten Steilwand verbringen, nun aber kurz vor dem Ziel sind.

Über eine romantische und kurvenreiche Bergstraße verlassen wir den Naturpark und erreichen über den State 41 Oakhurst, wo wir im Comfort Inn ein gutes, aber nicht billiges Quartier finden (75 $). In einem China-Restaurant gegenüber besorgen wir uns ein Gericht, das erfreulicherweise einmal mit anderen Geschmacksnuancen aufwartet als jene bei uns in der Heimat.

 

Donnerstag, 22. Juni

Das Motel ist das zweite auf unserer Reise, das ausnahmsweise ein im Preis inbegriffenes Frühstück bietet: Im Office versammeln sich die Gäste und können sich selbst mit Kaffee, Gebäck und Brötchen sowie einem Apfel bedienen.

Auf der Weiterfahrt über die 41 passieren wir Fresno, ein größeres, aber nicht sonderlich ansehnliches Städtchen, wo wir auf die 180 nach Osten abbiegen. Die Landschaft wirkt hier nicht mehr so naturbelassen wie bisher, sondern bezeugt Kultivierung durch den Menschen: Gelbe Haferfelder wechseln mit grünen Orangenplantagen ab. Auf dem folgenden Weg zum Sequoia National Forest entdecken wir am Straßenrand einen toten Skunk, der offenbar ein Opfer des Verkehrs geworden ist. Wenn wir schon keinem lebendigen Stinktier auf freier Wildbahn begegnen, so vermittelt uns doch das tote ein wenig Genugtung, wieder einmal etwas Neues entdeckt zu haben.

An den Sequoia Forest schließt sich zwar im Norden unmittelbar der Kings Canyon National Park an, aber unser Zeitplan lässt keinen weiteren Abstecher dorthin mehr zu.

Die Sequoias, auch "Mammutbäume" genannt, sind die größten Bäume der Erde, von denen es hier eine große Zahl in den dicht bewaldeten Bergen gibt. Die auffallend zimtbraune Rinde der geradegewachsenen, gewaltigen Stämme sieht aus, als hätten Mammuts die ehemalige Borke abgescheuert. Das Holz widersteht übrigens sogar dem Feuer bei Waldbränden. Gleich zu Beginn stoßen wir auf den zweitgrößten Sequoia, den "General Grant" (seinerzeit Heerführer im Sezessionskrieg). Ein hohler alter Baumriese liegt der Länge nach auf dem Weg, und man kann ihn aufrechten Ganges durchschreiten, um weitere Baumveteranen zu besichtigen. Die Straße durch den Park ist äußerst windungsreich; im letzten, abfallenden Teil nehmen die engen Serpentinen noch zu. Hier, im Giant Forest, finden wir auch den größten Mammutbaum der Welt: "General Sherman" (Kommandeur der Unionstruppen wie Grant), der am Fuße einen Umfang von 31 m hat. Er ist 84 m hoch und 2700 Jahre alt.

Nach Verlassen des National Forests, in dem wir noch eines der heimischen gelbbäuchigen Murmeltiere beobachten konnten, folgen wir dem Lauf des Kaweah River und fahren am gleichnamigen Lake entlang. Das Land ist felsig und wirkt fremdartig. Der State Highway 198 bringt uns nach Visalia, wo wir in Murphys Motel übernachten.

 

Freitag, 23. Juni

Thomas möchte noch einmal an den Pazifik und schlägt anstelle des direkten Weges nach L.A. einen Schlenker zur Küste vor. Wir überqueren auf dem State Highway 41 die Kettelman Hills, ab Cholame ist es die 46, und ab Paso Dobles der US Highway 101, der uns zur Küste bringt. Bei Pismo Beach sind wir wieder am Ozean; aber auch hier stellt sich wie beim ersten Mal das besondere Erlebnis nicht ein, obwohl wir uns auf einem Stück der legendären "Traumstraße der Welt" befinden.

Erst in Santa Barbara, wo wir eine Pause zum Stadtbummel einlegen, werden wir angenehm enttäuscht. Es ist ein wirklich hübsches Städtchen mit eigenem Flair, völlig anders als die bisher gesehenen. Die vorwiegend in gelblichen Tönen gehaltenen Häuser sind in spanisch-mexikanischem Stil erbaut, Palmen und Blumen verschönen das Straßenbild, und das Fehlen der üblichen Reklameschilder fällt positiv auf. Neben den mehrspurigen Boulevards gibt es Fußgängerzonen mit Bistros und gepflegten Einkaufsmöglichkeiten.

Über das verkehrsreiche Oxnard nähern wir uns Los Angeles. Das letzte Stück dieser Küstenstraße hinter Malibu bei Santa Monica kennen wir bereits vom ersten Ruhetag her. Im Stadtteil El Segundo haben wir für die letzte Nacht ein Zimmer im Hotel Hacienda gebucht. Als ärgerlich empfinden wir, dass die hoteleigenen Parkplätze nicht ausreichen und vollbelegt sind, so dass wir uns selbst um eine Abstellmöglichkeit in der zugeparkten Umgebung bemühen müssen. Das Abendessen nehmen wir in einer Art Steakhouse ("Sizzlers") ein, bei dem selbst Thomas mit seinem besseren Englisch und seinem guten Gehör Probleme hat, das ungewöhnliche System der Bestellung und Bezahlung zu durchschauen.

 

Samstag, 24. Juni

Unser Flug ist erst für den Nachmittag vorgesehen; wir haben deshalb Zeit für einen Ausflug nach Downtown, dem Zentrum der Stadt, mit prächtigen Hochhäusern, Bankgebäuden und eleganten Boulevards. All dies drängt sich in einem relativ kleinen Viertel zusammen. Ein Kontrastprogramm dazu liefert der angrenzende Stadtteil, durch den wir schlendern: Er wirkt ärmlich, sowohl von der Bausubstanz her, als auch vom basar-ähnlichen Warenangebot wie auch von der Bevölkerung, die sich als vielschichtiges Völkergemisch präsentiert, unter dem wir kaum einen einzigen Weißen entdecken, dafür aber manchen skurrilen schwarzen Typen, der einem Film entsprungen sein könnte.

Da wir uns hier wohl zu lange aufgehalten haben, drängt die Zeit ein wenig. Hinzu kommt, dass ich beim Lotsen anhand des Stadtplans von L.A. zunächst den falschen Flughafen ansteuere (es gibt deren drei in der Riesenstadt), bis Thomas es bemerkt, weil ihm die Gegend unbekannt vorkommt. Unweit des richtigen International Air Port müssen wir den Autoverleiher DOLLAR aufsuchen, um unseren Mietwagen zurückzugeben. Wir schaffen die Abwicklung aber noch rechtzeitig, wenn auch knapp. Auch die (kostenlose) Rückgabe des praktisch ungenutzten Miet-Handys gelingt problemlos, nur ist das Schlangestehen in beiden Fällen recht aufhaltsam. Einer der letzten Shuttle Busse nimmt uns mit zum Flughafen, wo wir uns erneut in die Warteschlange einreihen müssen.

Dann starten wir pünktlich zum Rückflug, wieder mit den British Airways. Über den Anschluss in London erreichen wir planmäßig den Düsseldorfer Flughafen. Hier erst stelle ich meine Uhr auf die Ortszeit ein: sie beträgt 18 Uhr, während meine Armbanduhr 3 Uhr morgens zeigt. Die körperlichen Folgen der beträchtlichen Zeitverschiebung werden mir zu Hause noch einige Tage zu schaffen machen.

Thomas' Frau Bärbel holt uns am Flughafen ab und bringt uns sicher heim.

 

Essen, im Juli 2000
© Rolf Schoch